Sonntag, 22. Juli 2007

In Potsdam - Waldstadt



Das Potsdamer Viertel "Waldstadt" ist eine jener Siedlungen, die in den 70er und 80er Jahren unter der Honecker-Führung in allen größeren Städten der DDR in Großplattenbauweise errichtet wurden, um endlich des chronischen Wohnungsmangels Herr zu werden. Auch wenn sich diese Wohngebiete für das ungeübte Auge wenig unterscheiden, lohnt es sich so gut wie immer, diese Stadtteile mittels eines Spaziergangs zu erkunden, und sei es nur, um eine Wegeführung zu genießen, die man im Straßennetz kapitalistischer Städte vergeblich suchen wird: Die Fußgängerbereiche sind hier nicht dem Autoverkehr untergeordnet, sondern ihm gleichgestellt und so weit wie möglich von ihm getrennt, so dass man nicht ständig innehalten muss, um auf passierende Autos zu achten. Die Waldstadt hat außerdem den besonderen Reiz, dass sie, wie ihr Name schon sagt, direkt an einen Wald anschließt und mit diversen Bäumen durchsetzt ist, die angenehme Erholungsräume zwischen den Häuserblöcken bilden.

Ein grundlegendes Problem der neuen, industriell gefertigten Stadtviertel beschreibt der Architekt Achim Felz, der unter Honecker an der Neugestaltung verschiedener Innenstädte beteiligt war, in seinem Buch "Babylons Töchter" (Berlin 1983): "Die hohe Zahl der Wohnungen zusammen mit der Tatsache, daß industrielles Bauen möglichst große Serien gleicher Erzeugnisse verlangt, macht die Aufgabe vom Gestalterischen her nicht gerade leichter. So sehen sich zahlreiche Häuser zum Verwechseln ähnlich, und manche gute Lösung wird durch ihre vielfache Wiederholung langweilig." Die fast ausschließliche Verwendung fünfgeschossiger Häuser im typischen Bautyp des DDR-Massenwohnungsbaus, der WBS 70, wird allerdings hier in hübscher Weise aufgelockert durch die Erzeugung von Mustern auf den Wänden mittels unterschiedlich gefärbter Bauplatten und durch Aufsätze an den Eingängen, die den Straßenzügen jeweils ein individuelles Gepräge geben: bunte Mosaikmuster und Tierfiguren aus Keramik und Metall erleichtern das Zurechtfinden gerade für Kinder, die sich nicht an Hausnummern und Straßenschildern orientieren können, und die es hier, im Gegensatz zu vielen anderen Neubauvierteln der ehemaligen DDR, auch noch zahlreich gibt. Das Wohngebietszentrum, wo die gesellschaftlichen Einrichtungen und Versorgungsstellen konzentriert sind, wird außerdem durch einige Hochhäuser markiert, die schon von weitem den Weg weisen.



An öffentlichen Gebäuden spielt, neben der bloßen Ornamentik, auch die regelrechte Kunst am Bau eine wichtige Rolle. Kindergärten und -krippen erfuhren, was das angeht, in der DDR eine besondere Zuwendung, und die Künstler zeigten sich hier oft besonders verspielt (wie auf dieser Seite bereits zweimal Thema war - hier und hier). Bei dieser, inzwischen von der Arbeiterwohlfahrt betriebenen Kinderkrippe, wurde dankenswerterweise die alte Backsteindekoration an den Eingängen - Händchen haltende Kinder und ein Dampfer - nicht nur beibehalten, sondern es wurden auch die neuen Wandmalereien darauf abgestimmt.



Ein weiterer wichtiger Faktor, um ein Gefühl der Heimischkeit zu erzeugen, ist die Markierung öffentlicher Plätze durch Kunstwerke, und in dieser Hinsicht fällt es gerade im Vergleich zu dem auf dieser Seite bereits beschriebenen Berlin - Hellersdorf positiv ins Gewicht, dass Potsdam - Waldstadt noch vor dem Ende der DDR fertiggestellt wurde. Die Skulpturen in der Waldstadt sind allesamt freundlich, optimistisch, beinahe naiv, und somit dem Charakter einer Familiensiedlung angemessen. So trifft man vor einer Kaufhalle im Süden der Siedlung auf eine Statue, die das Thema des Waldes aufnimmt und in stilisierter Baumform zwei Kinder unter einem Schwarm Vögel zeigt (ich nehme an, es handelt sich um Hänsel und Gretel...).


Am nördlichen Rand des Viertels steht vor einem Kliniksgebäude dieser leider mittlerweile sehr lädierte Totempfahl, in den zahlreiche Gesichter und Tiere eingearbeitet sind, so dass man lange Zeit damit verbringen kann, jedes einzelne zu betrachten.




Schließlich wartet ein kleiner Park im Zentrum noch mit Material für die sechste Folge der Reihe "Steinerne Tierwelt der DDR" auf: Ein Vogel, ein Fisch und ein Elefant, die sich durch die in sie getriebenen großen Löcher nicht nur als Kunstwerke, sondern auch als Klettergerüste für Kinder qualifizieren.

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