Samstag, 16. Juni 2007

Zweimal Werner Richter



In in den Berliner Stadtteilen Prenzlauer Berg und Treptow finden wir zwei antifaschistische Denkmäler des Bildhauers Werner Richter. Sie befinden sich an der Ecke Dimitroffstraße (heute Danziger Straße) / Diesterwegstraße bzw. an der Ecke Dörpfeldstraße / Nipkowstraße und fallen dadurch auf, dass sie das klassische Symbol der Opfer des Faschismus, den Winkel der politischen Häftlinge, in mehrfacher Ausführung von unterschiedlicher Größe und in unsymmetrischer, geschichteter Anordnung variieren. Die Winkel scheinen aus der Fläche der Denkmäler herauszutreten und führen das stille Gedenken so über in dynamische Bewegung. Das wird besonders deutlich beim zweiten Denkmal, das nicht die Form einer Wand, sondern einer Stele hat, die von geringerer Breite als die Winkel ist, so dass letztere in der Luft zu schweben scheinen.

Die Inschrift am ersten, 1979 errichteten Denkmal lautet: "Zum Gedenken / an die vom Faschismus / ermordeten / Widerstandskämpfer / Berlin - Prenzlauer Berg". Das zweite, 1977 aufgestellte erinnert an die aus den Reihen der KPD stammenden, von den Nazis ermordeten Antifaschisten Otto Nelte, Willi Gall und Walter Gerber. Neben der Stele steht eine Tafel mit den Worten "Zum Gedenken / an die heldenhaften / Widerstandskämpfer gegen / die faschistische Barbarei / Ihr Vermächtnis hat sich / in der sozialistischen / Deutschen Demokratischen / Republik erfüllt."

Die Konzentration auf den antifaschistischen Widerstand, besonders den kommunistischen, durch die sich das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der DDR auszeichnete, wird heutzutage oft genug beklagt. Dass andere Spektren des Widerstands und Opfer, die einfach nur Opfer waren und zum Widerstand nicht Mut oder Gelegenheit hatten, weniger oder gar nicht gewürdigt wurden, ist natürlich vom Standpunkt einer historischen Genauigkeit kritikwürdig, schließlich könnte man anhand der vielen antifaschistischen Denkmäler in der DDR meinen, das deutsche Volk habe von 1933 bis 1945 zu mindestens 90% aus Gegnern des Nationalsozialismus bestanden.

Aber Kunst kann sich nicht an dem Maßstab historischer Genauigkeit messen, nach dem sich die Wissenschaft zu richten hat. "Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Aneignung der Wirklichkeit durch Erkenntnis von Gesetzen steht die ästhetische in Form von Wertungen. [...] [Sie] befaßt sich nicht damit, was und wie das gegebene Objekt ist, sondern welche Bedeutung, welchen Wert es für uns hat." (E. Plojhar: Von der Notwendigkeit der Architektur. Wien 2001) Kunst spiegelt die Wirklichkeit nie einfach nur wider, sondern bricht sie sozusagen durch ein subjektives Prisma: Der Gegenstand der künstlerischen Darstellung wird in Beziehung gesetzt zu den Zielen und Idealen des Künstlers, die bei unserem Thema, der Denkmalsschöpfung in der DDR, gleichbedeutend sind mit den Zielen und Idealen der Gesellschaft, schließlich waren hierfür in der Regel Staat oder Bezirksverwaltung Auftraggeber. "Das Ideal ist das Resultat produktiver Vorstellungskraft, dem Realen ähnlich und zugleich von ihm unterschiedlich. Es entsteht aus der geistigen Umsetzung des Existierenden, um etwas Nichtexistierendes, aber Erwünschtes oder Notwendiges, Mögliches oder Unmögliches, Phantastisches oder Utopisches zu schaffen." (ebd.)

Ein Denkmal dient nie einfach nur der Würdigung einer Person oder eines Ereignisses, sondern hat immer auch die Funktion (ob beabsichtigt oder nicht), etwas über die Gegenwart und eine gewünschte Zukunft auszusagen. Wenn in den oben abgebildeten Denkmälern der politischen Gegner statt der bloßen Opfer des Nationalsozialismus gedacht und eine direkte Linie von deren Kampf zum sozialistischen Aufbau in der DDR gezogen wird, dann drückt sich darin in erster Linie ein Appell an die Lebenden aus: So wie diese Menschen gegen den Faschismus kämpften, sollt ihr für die Errichtung und Verteidigung des Sozialismus kämpfen. Und das ist doch ein gutes Ziel.

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