Der Wohnungsmangel war ein Problem, das die DDR seit ihrer Geburt quälte, und mit dem sie bis zu ihrem Ende nicht fertig wurde. Das schaffte erst der wieder installierte Kapitalismus, indem er die ostdeutschen Betriebe dem Kriterium der Profitabilität unterwarf, woran die meisten von ihnen zugrunde gingen, so dass die arbeitslos gewordene Bevölkerung massenweise gen Westen abwanderte und damit das Verhältnis Wohnraum-Wohnende umkehrte: Mittlerweile gibt es in vielen Orten nicht mehr genügend Mieter für die bestehenden Wohnungen, so dass ganze Viertel abgerissen werden (bei den Nachbarn im Eisenhüttenstadt-Blog kann man einen guten Eindruck davon gewinnen).
Will man daher die Rolle verstehen, die das Bauwesen in der DDR hatte, und die den Bauarbeiter zu einer wichtigen Identifikationsfigur machten (auch der Verfasser dieser Zeilen träumte in Kindesjahren davon, einmal Kranführer zu werden), so muss man sich das damals bestehende Wohnungsproblem vergegenwärtigen. Dieses bildete überhaupt erst den Grund für Entwicklungen zur Erhöhung der Produktivität wie die Aktivistenbewegung und schließlich die Einführung industrieller Baumethoden.
Es war aber nicht allein der zu bewältigende Mangel an Baulichkeiten, der diesem Gewerbe einen so bevorzugten Platz sicherte, sondern auch die ideoogischen Möglichkeiten, die es bot. "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt" hieß eben: Auf den Trümmern der zerstörten alten Ordnung wird etwas ganz Neues errichtet. Das brachte auch für Menschen, die vor 1945 dem Sozialismus gleichgültig bis ablehnend gegenübergestanden hatten, ein Identifikationsangebot für eine große Anstrengung, an der alle mitwirken sollten - ein "nationales Aufbauwerk". Das Verständnis, das die SED vom Nationalsozialismus hatte - dass es sich bei diesem um die offenene Diktatur der reaktionärsten Teile der Bourgeosie gegen die Arbeiterklasse und ihre politischen Organisationen gehandelt hatte - wirkte hier noch begünstigend, da so für Menschen, die keine höheren Funktionäre des NS-Apparats gewesen waren, die Möglichkeit bestand, sich zum Antifaschisten zu entwickeln, ohne die eigene persönliche Vergangenheit reflektieren zu müssen. Der Aufbau der zerstörten Städte sollte so gleichzeitig der Schaffung eines Bewusstseins der gemeinsamen Verantwortung für den Aufbau des Sozialismus dienen. Ein Auszug in das Buch "Streifzug durch die deutsche Baukunst" von Georg Piltz (Der Kinderbuchverlag Berlin 1973) verdeutlicht diese Stimmung:
"Der Neubeginn war sehr schwer. Es fehlte nahezu an allem: Es gab keine Bagger, keine Kräne, keine Lastwagen; es gab manchmal nicht einmal genug Schaufeln und Spitzhacken. Da der Krieg Millionen Männern das Leben gekostet hatte, mangelte es auch an männlichen Arbeitskräften. Meist verrichteten Frauen die schwere Arbeit der Trümmerbeseitigung. Nach Feierabend und an den Wochenenden eilten ihnen die Arbeiter aus den Betrieben zu Hilfe. Und nicht nur sie allein: Wer damals an einem Sonnabend oder Sonntag durch die total zerstörte Frankfurter Allee ging, konnte berühmte Leute Ziegel putzen und Schutt karren sehen, zum Beispiel Otto Grotewohl, den ersten Ministerpräsidenten unserer Republik, und Friedrich Ebert, damals Oberbürgermeister von Berlin. Alle packten mit an, damit die Trümmer so rasch wie möglich verschwanden. Heute erinnern nur noch die Denkmäler vor dem Roten Rathaus - die 'Trümmerfrau' und der 'Aufbauhelfer' - an diese harte Zeit."
Zwei weitere stumme Zeugen des Aufbaupathos sind in Berlin - Pankow zu finden: Gertrud Claasens "Aufbauhelferin" (1952) an der Ossietzkystraße und der "Bauarbeiter" (1962-65) von Evelyn Nitzsche-Hartnick in der Mendelstraße, der einen der Großblöcke auf der Schuter trägt, aus denen das typische 50er-Jahre-Mietshaus vor ihm errichtet ist.
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