Freitag, 1. Februar 2008

Strausberger Kosmos


Was nun das himmlische Paradies betrifft, so haben wir darüber von den Popen gehört. Doch wir wollten selbst prüfen, wie es dort aussieht, und haben unseren Kundschafter dorthin geschickt, Juri Gagarin. Er hat die ganze Erdkugel umflogen, doch nichts im Kosmos gefunden. Stockfinster ist es dort, sagte er. Kein Garten, nichts, was einem Paradies ähnlich wäre. Wir haben überlegt und beschlossen, noch einen Kundschafter zu schicken. Und so haben wir German Titow entsandt. Wir sagten ihm: Du wirst jetzt länger fliegen, denn Gagarin, der nur eineinhalb Stunden geflogen ist, konnte das Paradies nicht entdecken. Daher paß schön auf. Er flog, kehrte zurück und bestätigte die Schlußfolgerungen, die Gagarin gezogen hat. Nichts, sagte er.


Die Sowjetmenschen, die in ihrer Mehrheit nicht gläubig sind, lieben das irdische Leben und streben daher nicht nach dem himmlischen Paradies. Sie wollen ein Paradies auf Erden haben. Sie wollen leben, arbeiten und die Früchte ihrer Arbeit genießen.


– Treffende Worte Nikita S. Chruschtschows zu einem der großen Nutzeffekte des Weltraumfluges, gefunden in „Kosmos – Moskau – Berlin. Ein Bildband vom Besuch German Titows in der DDR“.


Nachdem es bereits heute morgen um einen Fall von erhaltener DDR-Kunst in Strausberg ging, hier ein weiteres nettes Beispiel: Dieses Mosaik schmückte einst den Eingang einer Schule im Zentrum des Neubaugebiets Hegermühle, und passte hier auch gut hin, schließlich ist die Perspektive, zum Beispiel einmal zur weiteren Erforschung des Weltraums beitragen zu können, doch ein schöner Anreiz, sich zu bilden. Die Schule wurde mittlerweile mangels Nachwuchses abgerissen, die Wand mit dem Bild blieb jedoch erhalten und steht nun, ein wenig an einen Altar erinnernd, erfreulicherweise noch immer am Platz.


Die jüngere Geschichte Strausbergs ist an sich ein Trauerspiel: Die Kasernen, die früher noch den Hauptstab des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR beherbergten, standen leer, nachdem die DDR ihre eigene Verteidigung zugunsten der Eingliederung ins neue Großdeutschland aufgegeben hatte. Die 15.000 Bürger, die laut Wikipedia 1989 „für mehr Demokratie“ demonstriert hatten, bekamen als Lohn diverse Bundeswehreinheiten, die die verlassenen Kasernen auffüllten und die Stadt somit zur momentan größten Garnisonsstadt Brandenburgs machten. Einen parteilosen Hauptmann der bundesdeutschen Armee wählten sie sich zu allem Überfluss auch noch zum Bürgermeister. Man glaubt es kaum, doch inmitten solch einer Bürgerschaft finden sich doch noch genügend Menschen mit Geschmack und Beharrungsvermögen, um nicht alle Spuren einer anderen Zeit verschwinden zu lassen.

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